FormalPara Koordinierende_r Leitautor_in

Andreas Novy

FormalPara Leitautor_innen

Thomas Brudermann, Julia Fankhauser, Michael Getzner und Markus Ohndorf.

FormalPara Revieweditorin

Nora Räthzel

FormalPara Zitierhinweis

Novy, A., T. Brudermann, J. Fankhauser, M. Getzner und M. Ohndorf (2023): Theorien des Wandels und der Gestaltung von Strukturen: Marktperspektive. In: APCC Special Report: Strukturen für ein klimafreundliches Leben (APCC SR Klimafreundliches Leben) [Görg, C., V. Madner, A. Muhar, A. Novy, A. Posch, K. W. Steininger und E. Aigner (Hrsg.)]. Springer Spektrum: Berlin/Heidelberg.

25.1 Einleitung

Die Marktperspektive betrachtet Märkte (das heißt individuelle, dezentrale Entscheidungen der Wirtschaftssubjekte innerhalb gegebener Rahmenbedingungen) als zentrale Institution und Preisrelationen als zentrale Hebel für klimafreundliches Leben. Strukturen werden als Regeln für das Handeln auf Märkten verstanden; zudem sind Märkte unter anderem in rechtliche und gesellschaftliche Rahmenbedingungen und Institutionen (z. B. Verfügungsrechte, Vertragsrechte) eingebettet. Es braucht Rahmenbedingungen, die Märkte regulieren, sodass das Verursacherprinzip wirksam wird: Wer Emissionen verursacht, muss bezahlen (Kostenwahrheit). Dabei wird versucht, dass die freie individuelle Wahlentscheidung so weit als möglich mit dem Erreichen der Klimaneutralität vereinbar bleibt. Gestalten als koordiniertes Handeln ist in dieser Perspektive das Setzen richtiger wirtschaftspolitischer Rahmenbedingungen, insbesondere durch Anreizsysteme. Klimafreundliches alltägliches Handeln in der Marktperspektive basiert auf individuellem Konsum- und Investitionsverhalten durch den Erwerb und die Nutzung nachhaltiger und emissionsarmer Produkte und Dienstleistungen. Instrumente sind Informationspolitik und Markttransparenz (z. B. Produktkennzeichnung), aber vor allem auch geänderte Regulierungen und Entscheidungsarchitekturen (durch Steuerreform oder Emissionshandel).

Die wichtigsten Theorien des Wandels aus einer Marktperspektive, die im Folgenden ausführlicher behandelt werden, sind Umwelt-, Verhaltensökonomik, Umwelt-, Klima- und Wirtschaftspsychologie und Public Choice.

25.2 Umweltökonomik

Lead Autor_innen

Michael Getzner, Julia Fankhauser

Kernaussagen

  • Die Umweltökonomik befasst sich im Wesentlichen mit der (ökonomischen/monetären) Bewertung natürlicher Ressourcen und Veränderungen der Umweltqualität auf Basis rationaler Entscheidungen von Wirtschaftssubjekten (Haushalten, Unternehmen).

  • Die Umweltökonomik ist bestrebt, die Summe aus den Schäden durch Klimawandel und den Kosten für die Vermeidung des Klimawandels zu minimieren. Ungebremster Klimawandel ist ineffizient.

  • Handelbare Emissionszertifikate und Umweltsteuern bieten infolge der Monetarisierung und Internalisierung externer Kosten wesentliche Anreize für umweltfreundliche Entscheidungen.

  • Wenn entsprechende zusätzliche Instrumente (z. B. Standards, Information) sowie soziale Ausgleichsmechanismen implementiert werden, kann eine marktwirtschaftliche Steuerung der Preise und Mengen wesentlich zur Reduktion von Emissionen beitragen.

  • Wenn umweltökonomische Steuerungsinstrumente eingesetzt werden, sind diese zwar wesentlich (notwendig), aber nicht hinreichend zur Lösung der Klimakrise, da insbesondere strukturelle Fragen (z. B. Beschäftigung, soziale Verteilung, Machtasymmetrie, Wirtschaftswachstum) nicht (direkt) verändert werden.

  • Es wird davon ausgegangen, dass freiwillige Emissionsreduktionen nicht ausreichen. Der Ausstoß von Treibhausgasen muss verteuert werden (CO2-Steuer, Emissionsbepreisung), damit emissionsärmere Technologien wettbewerbsfähig werden.

Die Umweltökonomik (Environmental Economics) ist eine auf Umweltgüter und natürliche Ressourcen bezogene Subkategorie der Ökonomik (Volkswirtschaftslehre). Unter Umweltgütern versteht man Produktionsfaktoren, die direkt aus der Natur stammen und nicht unter die klassischen Produktionsfaktoren wie Arbeit, Boden und Kapital fallen. Die Umweltökonomik anerkennt die Knappheit der natürlichen Ressourcen und limitierte Regenerationsfähigkeit der natürlichen Systeme. Umweltprobleme werden als Knappheitsprobleme, falsche oder fehlende Preissignale und fehlende oder nicht ausreichend definierte Eigentums- und Verfügungsrechte (Property Rights), das heißt als Marktversagen, verstanden. So bearbeitet die Umweltökonomik Entscheidungen zur Lösung dieser Knappheitsprobleme unter Unsicherheit und mit Bezug auf die Zukunft (Diskontierung).

Das Konzept von externen Effekten des englischen Nationalökonomen A. C. Pigou (1920) ist ein wichtiger historischer Ausgangspunkt für Umweltpolitik. Pigou (1920) konnte nachweisen, dass die Externalisierung von Wirkungen einer Produktions- oder Konsumtätigkeit zu einer ineffizienten Allokation der Ressourcen führt – positiv als externe Nutzeffekte oder negativ als externe (Umwelt-)Kosten. Als (umweltpolitische) Instrumente sollen daher Pigou-Subventionen/Steuern durch einen Subventions- bzw. Steuersatz jeweils in Höhe des Grenznutzens bzw. Grenzschadens die externen Effekte internalisieren. Daraus lassen sich bereits die wichtigsten Forschungsfelder der Umweltökonomik ableiten: die (monetäre) Bewertung externer Effekte, die Optimierung der Umweltqualität durch Grenzkosten und Grenznutzen sowie die effiziente Ausgestaltung umweltpolitischer Instrumente (z. B. Standards und Regulierungen, Preis- und Mengensteuerung).

Vertreter_innen der Umweltökonomik sehen die Ursachen der derzeitigen Entwicklung in Bezug auf den Klimawandel nach wie vor im Fehlen von Märkten („missing markets“), doch auch darin, dass Märkte ein „falsches“ Niveau von Umweltqualität generieren können. Trotz der vielen Einwände, beispielsweise der Ökologischen Ökonomik (z. B. hinsichtlich der fehlenden Substitution zwischen „natural capital“ und „man-made capital“; fehlende Berücksichtigung ökologischer Dynamik; den Modellen inhärentes Wirtschaftswachstum; siehe Common & Stagl, 2005), gehen Umweltökonom_innen davon aus, dass MarktmechanismenFootnote 1 die beste Lösung von Umweltproblemen und der Allokation von Umweltgütern und natürlichen Ressourcen seien (Hanley, Shogren, & White, 2019). Sie sind daher optimistisch hinsichtlich der Lösung von Umweltproblemen durch Anreize zu ressourcensparendem Verhalten sowie durch technischen Fortschritt (technologischer Optimismus). Sie verweisen dabei auf das Konzept der schwachen Nachhaltigkeit („weak sustainability“; vgl. Hartwick, 1977; Solow, 1974), wonach die Gesellschaft über verschiedene Arten von Kapital (z. B. „man-made capital“, „natural capital“) verfügt und diese Kapitalarten substituierbar sind und sich auch nicht grundsätzlich im Sinne der Modellierung und Beschreibung unterscheiden. Aus naturwissenschaftlicher Sicht trifft das für das natürliche Kapital nicht zu, z. B. hinsichtlich möglicher multipler Gleichgewichte und sogenannter Kippunkte („tipping points“ – an denen geringe (Zer-)Störung immense Veränderungen auslösen). Somit ist Nachhaltigkeit durch einen zumindest konstanten Kapitalstock, der sich aus diesen Kapitalarten zusammensetzt, gegeben. Wirtschaftswachstum im Sinne beispielsweise von Green oder Sustainable Growth ist hierbei kein Problem, solange der gesamte Kapitalstock zumindest konstant bleibt.

Wenn die Verfügungsrechte über Umweltressourcen klar definiert sind (z. B. auch im Rahmen handelbarer Emissionszertifikate), dann steigt der Preis auf diesem Umweltmarkt bei größerer Knappheit (z. B. saubere Luft wird verschmutzt und dadurch knapper) und die Umweltressourcen werden geschont, da Preisanreize für die Verbesserung der Umweltqualität wirksam werden und bei jenen Emittent_innen, bei denen die Emissionsreduktion am kostengünstigsten ist, die Emissionen vermieden werden (gesamtwirtschaftliche Kostenminimierung zur Erreichung eines vorgegebenen Umweltqualitätsziels). Diese „First-best-Lösungen“ führen zu einer volkswirtschaftlich optimalen Allokation (Pareto-Optimum). Nach Coase (1960) ist es zudem (unter einer Reihe von Annahmen, z. B. inexistente Transaktionskosten) unerheblich, ob die bzw. der physische Verursacher_in von Emissionen oder jene, die von den Emissionen betroffen sind, die Verfügungsrechte über die Nutzung der Umweltressource innehaben.

Die Kosten-Nutzen-Analyse dient der Umweltökonomik als wesentliches Bewertungsinstrument für die Bestimmung einer optimalen Umweltqualität (bzw. der Reihung von Vorhaben des Staates und der Planung, öffentliche Güter bereitzustellen) (Boardman et al., 2017; Hanley & Spash, 1993). Diese bestimmt die Politik- oder Projektwirkungen auf naturwissenschaftlicher Basis, monetarisiert diese und macht die Wirkungen (Kosten und Nutzeffekte), die zu unterschiedlichen Zeitpunkten stattfinden, mittels Diskontierung vergleichbar. Die Monetarisierung (z. B. anhand offenbarter [„revealed“] oder geäußerter [„stated“] Präferenzen) basiert hierbei auf der Zahlungsbereitschaft („willingness-to-pay“) oder der Kompensationsforderung („willingness-to-accept“) der Bürger_innen (Johnston et al., 2017). Somit wird hierbei auch die gesamtwirtschaftliche Wohlfahrt aus den individuellen Präferenzen (das heißt Wohlfahrtsgewinnen oder -verlusten) der Bürger_innen abgeleitet; umweltpolitische Maßnahmen werden somit aus der Perspektive der Wohlfahrtswirkungen (mit dem Ziel der Wohlfahrtsmaximierung, das heißt aus Sicht der Effizienz) beurteilt. Die Umweltökonomik konzipiert Instrumente für eine effiziente Klimapolitik und versucht im Rahmen einer Optimierung das Umweltqualitätsniveau (das heißt das Ausmaß an Klimaschutz) zu bestimmen, bei welchem die Grenzkosten und die Grenznutzen gleich sind, also die eine optimale Umweltqualität mit den geringsten gesamtwirtschaftlichen Kosten erreicht wird (Baumol & Oates, 1975). Übertragen auf die Klimakrise ist der Anspruch hierbei, sämtliche Klimarisiken, die Begrenztheit der Ressourcen und die Wirkungen auf die Ökosysteme und ihre Netzwerke in monetäre Größen übersetzen zu können (Monetarisierung).

Verhandlungen zwischen Verursacher_in und Betroffene_r führen (unter einer Reihe von Bedingungen wie ökonomischer Rationalität der Marktteilnehmer_innen und inexistenter Transaktionskosten) zu einer optimalen Allokation (Nutzung) der Umweltressource. Es braucht hierbei – wie auch bei vielen anderen neoklassisch geprägten Lösungsvorschlägen für Ressourcenknappheit – nur einen Staat, der die Verfügungsrechte garantiert und im Streitfall durchsetzt (Coase, 1960). Ein eigener, das heißt zusätzlich steuernder Planungseingriff des Staates, abgesehen allenfalls von der Festlegung eines Umweltqualitätszieles, ist im Optimalfall hierbei nicht notwendig. Für die Lösung von Umweltproblemen sind daher insbesondere Anreizmechanismen (Ökosteuern, Wegfall umweltkontraproduktiver Subventionen) sowie die Definition von Verfügungsrechten (handelbare Verschmutzungszertifikate) wesentlich (Tietenberg & Lewis, 2018).

Entgegen vielfachen umweltökonomischen Empfehlungen wurden Steuern auf Treibhausgasemissionen (z. B. CO2) oder angemessene Preise von Emissionszertifikaten im Emissionshandel politisch (z. B. durch Interessengruppen) bislang nicht, ineffizient oder ineffektiv umgesetzt. Beide Instrumente haben gleiche Zielsetzungen (Reduktion von CO2-Emissionen), setzen aber unterschiedlich an: Emissionssteuern geben Preise in Form von Steuersätzen vor, die in Verbindung mit den (bekannten) Vermeidungskosten der Verursacher_innen zu einer entsprechenden Reduktion führen sollen. Handelbare Zertifikate geben die höchst zulässigen Mengen vor, die Preise bilden sich in weiterer Folge auf den Zertifikatsmärkten durch Nachfrage und Angebot (Common & Stagl, 2005; Tietenberg & Lewis, 2018). Die bestehenden Zertifikatsmärkte sind aus umweltökonomischer Sicht unzureichend reguliert und funktionieren daher sowohl in Bezug auf die Effizienz als auch die Effektivität (Reduktion von Emissionen) bislang unzureichend (vgl. Pietzcker, Osorio, & Rodrigues, 2021).

Die Umweltökonomik – anders als beispielsweise die Politikwissenschaft oder Public-Choice-Ansätze – befasst sich jedoch nicht mit der Frage nach den gesellschaftlichen, politischen oder ökonomischen Hindernissen auf dem Weg zu einer „korrekten“ Bepreisung, somit auch nicht mit den damit verbundenen Machtverhältnissen. Wie die Wohlfahrtsökonomik zeigt, ist eine effiziente Bepreisung von Umweltgütern häufig mit gesellschaftlich nicht akzeptierten sozialen Ungerechtigkeiten (sowohl regional, national als auch international) verbunden. Nachhaltigkeit, Altruismus, Gerechtigkeit, Suffizienz oder Fragen der Änderung von Lebens- und Produktionsweisen sind in der Umweltökonomik keine primären Forschungsthemen. Im Sinne eines weiten Verständnisses des neoklassischen theoretischen Modells können konzeptionell jedoch auch solche Argumente jenseits des unmittelbaren Konsums durch entsprechende individuelle Präferenzen in den Nutzenfunktionen der Haushalte (als Konsument_innen und Bürger_innen/Wähler_innen) eine Rolle spielen (vgl. Daube & Ulph, 2016).

Abgesehen von den Schwächen der neoklassischen Theorie gibt es eine Vielzahl von empirisch-praktischen Problemen: Die Annahme der ökonomischen Rationalität kann unter anderem durch psychologische Studien des menschlichen Verhaltens, welche im Rahmen der Verhaltensökonomik für die Wirtschaftswissenschaften nutzbar gemacht werden, teilweise verworfen werden (z. B. Croson & Treich, 2014). Darüber hinaus erfordert die notwendige Monetarisierung eine umfangreiche Informationsbasis, die selbst bei Expert_innen nicht ohne Weiteres vorausgesetzt werden kann. Zudem sind die empirisch gewonnenen Bewertungsansätze, wie z. B. Kontingenzbefragung („contingent valuation“), Wahlexperimente („choice experiments“), mit einer Reihe von methodischen Problemen und Unsicherheiten behaftet (viele dieser Probleme sind auch bei anderen, nicht monetär fokussierten Bewertungsmethoden vorzufinden).

Trotz Betonung der Knappheit von Umweltgütern und natürlichen Ressourcen hat die Umweltökonomik kein besonderes Interesse an ökologisch vorgegebenen Beschränkungen (beispielsweise absolute Beschränkungen des Landverbrauchs). Umweltgütern wurden auch kaum besondere Eigenschaften zuerkannt, die sie nicht grundsätzlich unhandelbar machen. So ergibt sich konzeptionell kein Widerspruch zwischen der Bekämpfung der Klimakrise und der gleichzeitigen Aufrechterhaltung der Wachstumsdynamik – trotz der international breit nachgewiesenen und nach wie vor signifikanten Zusammenhänge zwischen dem Wirtschaftswachstum und dem Verbrauch natürlicher Ressourcen (Steinberger et al., 2013).

Basierend auf der Unmöglichkeit, externe Effekte in einer so exakten Weise empirisch zu bestimmen, dass eine Internalisierungssteuer oder -subvention die volkswirtschaftlichen Ressourcenknappheiten vollständig widerspiegeln, wird ein Standard-Preis-Ansatz vorgeschlagen (Baumol & Oates, 1975): Ein umweltpolitisch vorgegebenes Ziel (z. B. Luftqualität) wird in Verbindung mit Schadstoffemittenten (Diffusionsfunktion) gesetzt (Verursacherprinzip). Grundlegend ist hier die Konzeption der Gesellschaft (und damit auch der Wirtschaft) als Input-Output-Modell von Ressourcenströmen. Ein Steuersatz einer Emissionsabgabe ist in Kombination des Emissionsziels und der (Grenz-)Vermeidungskosten festzulegen (alternativ zur Steuerung des Preises durch die Umweltpolitik können die Mengen im Rahmen eines Systems handelbarer Emissionszertifikate festgelegt werden). Die Theorie öffentlicher Güter (Samuelson, 1957) sowie der Common-pool-Ressourcen (Allmendegüter) (Hardin, 1968; Ostrom, 1990) ergänzt die Umweltökonomik, insbesondere in Bezug auf die nicht definierten Verfügungsrechte sowie die ökonomischen Anreize, natürliche Ressourcen über die Regenerationsfähigkeit der natürlichen Systeme hinaus auszubeuten.

Die Eindämmung bisher entstandener Umweltschäden ist gemäß umweltökonomischen Ansätzen durch passende Regulierungen oder die Neuschaffung von Märkten sowie technologische Lösungen möglich. Hierbei ist es sicherlich auch außerhalb der Umweltökonomik unumstritten, dass eine ökologische Steuerreform eine notwendige, jedoch sicherlich nicht hinreichende Bedingung für einen effizienten und effektiven Klimaschutz ist (für Österreich siehe Kettner-Marx et al., 2018). Der Umweltökonomik liegt das Vertrauen in das Funktionieren des Marktes, der eine effiziente Allokation auch von Umweltgütern ermöglicht, das heißt in individuelle Entscheidungen der Wirtschaftssubjekte, zugrunde. Damit ist auch die Rolle des Staates definiert, der ausschließlich die Rahmenbedingungen (entsprechende Regulierung von Mengen und/oder Preisen) festlegen soll. Als die zentrale wirtschaftliche Institution für das Lösen der Klimakrise, wie auch des Ermöglichens klimafreundlichen Lebens wird daher der Markt angesehen (Baumol & Oates, 1975).

Nach den Konzepten der Umweltökonomik sind daher die Strukturbedingungen für ein klimafreundliches Leben vor allem eine korrekte Bepreisung von Umweltschäden (bzw. die Mengenregulierung in Form von Verfügungsrechten), das Schaffen von (globalen) Märkten für Umweltgüter und ein darauffolgender Handel mit Umweltgütern ohne fehlführende Interaktionen von Staaten und ihrer Politik. Außerdem soll Umweltpolitik anstreben, individuelle Entscheidungen von Personen und Unternehmen durch Preissignale (Steuern, Emissionshandel) zu lenken (Tietenberg & Lewis, 2018). Für das Erreichen einer Klimafreundlichkeit formuliert die Umweltökonomik solche Rezepte, die das Eigeninteresse der Wirtschaftssubjekte ausnützen (z. B. Steuern auf Treibhausgasemissionen, Handel mit Zertifikaten). Diese Instrumente sind geeignet, ein klimafreundliches Leben ökonomisch zu fördern – dabei handelt es sich um notwendige (und bei Implementierung auch auf die sozialen Verteilungsprobleme eingehende), aber bei weitem nicht ausreichende Veränderungen der bestehenden Klimapolitik. Besonders hervorzuheben ist das Problem der Unübersetzbarkeit (incommensurability) von Natur in einen Preiswert. Umweltökonomischen Ansätze führen in Hinblick auf die inadequate Inwertsetung und zu geringe Bepreisung von Umweltressourcen/Natur auch zu weiterer nicht nachhaltigen Nutzung von natürlichen Ressourcen und daher weitere Umweltzerstörung ermöglicht anstatt Umweltschutz dieser zu verstärken/ermöglichen/fördern (Spash 2010; UNEP 2010).

25.3 Verhaltensökonomische Ansätze

Lead Autor

Thomas Brudermann

Kernaussagen

  • Die Verhaltensökonomie stellt individuelles Entscheidungsverhalten in den Mittelpunkt und widmet sich der Entscheidungsarchitektur.

  • Wenn klimafreundliche Handlungsoptionen leichter zugänglich bzw. mit weniger Aufwand wählbar sind als klimaunfreundliche Optionen, dann ist es auch sehr wahrscheinlich, dass klimafreundliche Optionen häufiger gewählt werden.

  • Wenn der Fokus jedoch lediglich auf individuelle Wahlfreiheit gelegt wird, dann lenkt dies möglicherweise von der Notwendigkeit struktureller Veränderungen ab.

Verhaltensökonomische Ansätze (Behavioral Economics) erforschen individuelles Entscheidungsverhalten mit einem interdisziplinären Zugang. Ihr Anspruch ist es, ökonomische Theorien mit psychologischen Erkenntnissen anzureichern und somit akkuratere Modelle menschlichen Entscheidungsverhaltens anzubieten als neoklassische Ansätze. Das in neoklassischen Ansätzen verwendete Standardmodell des nutzenmaximierenden, rational agierenden „homo oeconomicus“ wird aufgrund von empirisch feststellbaren Abweichungen (z. B. altruistisches Verhalten im Sinne der Generationengerechtigkeit) abgelehnt. Verhaltensökonomie beschäftigt sich mit Präferenzen, Annahmen und Entscheidungsfindung (insbesondere die Verwendung von Heuristiken anstelle von Optimierung; Reddy et al., 2017) die nicht diesem Standardmodell entsprechen (z. B. Umweltbewusstsein).

Methodisch bedienen sich die Ansätze vor allem experimenteller Settings (experimentelle Ökonomie), in denen Faktoren im Entscheidungsverhalten in verschiedenen Situationen analysiert werden (Ariely, 2009; Kahneman, 2003). Die Abgrenzung zu umwelt-/wirtschaftspsychologischen Ansätzen ist nicht immer möglich, mehrere Beiträge bzw. Vertreter_innen können auch der Wirtschafts- oder Umweltpsychologie zugeordnet werden.

Der Klimawandel-Kontext wurde von der Verhaltensökonomie erst in jüngeren Jahren aufgegriffen (Brekke & Johansson-Stenman, 2008; Camerer & Loewenstein, 2011; Gowdy, 2008). Hier geht es vordergründig um Entscheidungsverhalten von Konsument_innen, mit der zentralen Frage: Welche Faktoren begünstigen klimaschädliche und klimafreundliche Entscheidungen? Die Analyseebene ist dabei immer das Individuum. Status quo und Dynamiken des Wandels werden somit als Folge individueller Entscheidungen gesehen (Girod, van Vuuren, & Hertwich, 2014).

Verhaltensökonomische Studien widmen sich systematischen Wahrnehmungsverzerrungen („decision biases“) und Problemen des kollektiven Handelns (z. B. „social dilemmas“). Wahrnehmungsverzerrungen führen zu Entscheidungen, die gegenüber dem Standardmodell suboptimal sind. Probleme des kollektiven Handelns betreffen insbesondere Fragen der Behinderung/Förderung kollektiven Handelns (Fehr & Fischbacher, 2004).

Herausforderungen sind unter anderem: Wie kooperieren verschiedener Akteur_innen und Gruppen von Akteur_innen, wenn Nutzwert-Optimierung auf individueller Ebene zu suboptimalem Nutzen bzw. Kosten auf kollektiver Ebene führt, also Interessen des Individuums und des Kollektivs im Konflikt zueinanderstehen? Eine zentrale Frage ist, unter welchen Rahmenbedingungen Kooperation bei kollektiven Handlungsproblemen (Klimawandel, aber auch Übernutzung von Ressourcen) möglich ist (Gsottbauer & van den Bergh, 2011).

Auch gilt es Wahrnehmungsverzerrungen zu überwinden, die zu klimaschädlichen Entscheidungen führen bzw. klimafreundliche Entscheidungen erschweren. Dazu gehören das Abzinsen von zukünftigen Ereignissen („temporal discounting“), das Gegeneinander-Aufwiegen klimafreundlicher und klimaschädlicher Entscheidungen („moral licensing“) oder Bestätigungsfehler („confirmation biases“), die das Akzeptieren neuer Informationen erschweren, wenn diese nicht mit dem eigenen Weltbild übereinstimmen.

Die wesentlichen Veränderungspotenziale werden in der sogenannten Entscheidungsarchitektur gesehen. Im Geiste des liberalen Paternalismus sollen Konsument_innen in ihren Entscheidungen geleitet, aber nicht eingeschränkt werden, das heißt „gute“ Entscheidungen sollen erleichtert werden. Unter dem Begriff „Nudging“ (deutsch: „Schubsen“) werden Interventionen verstanden, welche die Entscheider_innen die gewünschten Optionen wählen lassen, z. B. wenn bei Stromlieferverträgen die Standardoption ein grüner Mix anstatt eines konventionellen Produkts ist oder beim Ticketkauf die CO2-Kompensationszahlung abgewählt statt ausgewählt werden muss („green default“) (Ölander & Thøgersen, 2014). Der Begriff der Entscheidungsarchitektur geht dabei über die neoklassische Idee rein monetärer Anreize hinaus und berücksichtigt auch kognitive und soziale Aspekte in der Entscheidungsfindung (Pidgeon & Fischhoff, 2011).

Die Verhaltensökonomie legt ihren Fokus auf individuelle Entscheidungen. Strukturelle Rahmenbedingungen, welche die Umsetzung beeinflussen könnten, werden kaum beachtet. Ethische Fragestellungen (z. B. zum Thema Paternalismus und Manipulation oder zur Transparenz von Entscheidungsarchitekturen) werden kontrovers diskutiert (Thaler & Sunstein, 2008; Thøgersen, 2008). Auch können über lange Zeiträume entwickelte und dementsprechend stabile Verhaltensweisen (wiederkehrende Entscheidungssituationen) in vielen Fällen durch Nudging nur begrenzt beeinflusst werden.

Gestaltungsoptionen und Interventionsmöglichkeiten ergeben sich hier in erster Linie von Seiten der Politik, in Form von Anreizen und Entscheidungsarchitektur (OECD, 2017). Auch Unternehmen können ihre Kund_innen zu klimafreundlicheren Entscheidungen anleiten, was in vielen Fällen allerdings im Konflikt mit anderen (monetären) Unternehmenszielen steht.

Der Fokus auf das Individuum und individuelle Entscheidungen bringt jedoch ein Problem mit sich: Denn die Verantwortung für klimafreundliches Verhalten liegt somit letztendlich bei Bürger_innen und Konsument_innen (Beckenbach & Kahlenborn, 2016). Diese Grundannahme kann, was die Praktikabilität verhaltensökonomischer Ansätze bei Fragen des Klimaschutzes angeht, als kontrovers angesehen werden (Andor & Fels, 2018), da dies möglicherweise von der Notwendigkeit struktureller Änderungen ablenkt.

25.4 Umweltpsychologie, Klimapsychologie und Wirtschaftspsychologie

Lead Autor

Thomas Brudermann

Kernaussagen

  • Umweltpsychologische Ansätze setzen sich mit Wissen, Wahrnehmungen und Einstellungen zu Klimawandel auseinander, aber auch mit der Akzeptanz von politischen Maßnahmen und klimafreundlichen Technologien.

  • Wenn entsprechende Struktur- und Rahmenbedingungen nicht gegeben sind, dann ist es sehr wahrscheinlich, dass Menschen trotz klimafreundlicher Einstellungen klimaschädliche Entscheidungen treffen (z. B. im Bereich Mobilität, Ernährung, Energie).

  • Wenn Verhaltensweisen etabliert sind, dann sind Verhaltensänderungen ohne eine gleichzeitige Änderung von Rahmenbedingungen unwahrscheinlich.

Ähnlich wie verhaltensökonomische Ansätze versuchen auch psychologische Ansätze, individuelle Entscheidungen zu erklären. Darüber hinaus ergründen psychologische Ansätze Einstellungen von Menschen, ihre Wahrnehmungen und Intentionen, ihre Identität, ihr Wissen und Nicht-Wissen, ihre Weltanschauungen und allgemein gefasst Verhaltensweisen in verschiedenen Lebensbereichen. Dazu gehören auch Gewohnheiten und unbewusst getroffene Entscheidungen oder soziale, kulturelle und moralische Normen und der Einfluss dieser Normen auf Wahrnehmungen, Einstellungen und Verhalten (Nyborg et al., 2016). Bestehende klimafreundliche und klimaschädliche Verhaltensweisen in verschiedenen Domänen bzw. diverse Ausprägungen davon werden mittels psychologischer Variablen (teilweise) zu erklären versucht (Clayton et al., 2015; Thaller & Brudermann, 2020; Thaller, Fleiß, & Brudermann, 2020). Die Umweltpsychologie bedient sich dabei häufig der Frameworks und Ansätze aus benachbarten psychologischen Disziplinen, z. B. Kognitionspsychologie, Gesundheitspsychologie oder Sozialpsychologie. Auch Modelle wie etwa die Theorie des geplanten Verhaltens (Ajzen, 1991) kommen zur Anwendung. Die Klimapsychologie als eigenes Untergebiet der Umweltpsychologie ist erst im Entstehen begriffen. Neben Verhalten und Einstellungen werden umgekehrt auch die Auswirkungen von Klimawandel und Umweltproblemen auf die menschliche Psyche und verschiedene Verhaltensmuster untersucht.

Während die Wirtschaftspsychologie unter anderem Konsumentscheidungen beleuchtet, zielen Umwelt- und Klimapsychologie auch darauf ab, Möglichkeiten und Wege zur Verhaltensänderungen aufzuzeigen. Eine zentrale Herausforderung dabei ist, dass menschliche Verhaltensweisen relativ stabil bleiben, solange die Rahmenbedingungen ebenfalls stabil bleiben. Verhalten muss immer im Kontext von Rahmenbedingungen und im Zusammenspiel mit der persönlichen Lebenswelt (z. B. Verhaltensoptionen, verfügbare Technologien, soziale Einflüsse, Wertvorstellungen) betrachtet werden. Automatisierte Verhaltensweisen oder Gewohnheiten können leichter verändert werden, wenn sich auch die Rahmenbedingungen verändern („windows of opportunity“; Graybiel, 2008).

Zudem sind Einstellungen und Wahrnehmungen zur Klimakrise in erster Linie vom eigenen Weltbild bestimmt. Bürger_innen des rechten/konservativen politischen Spektrums nehmen Klimarisiken deutlich schwächer wahr als Menschen des linken/grünen/liberalen politischen Spektrums, sehen dementsprechend weniger Handlungsbedarf und zeigen in weiterer Folge weniger Akzeptanz für klimapolitische Maßnahmen (Hornsey et al., 2016).

Klimafreundliches Leben benötigt entsprechende Rahmenbedingungen (Handlungsoptionen und Bereitschaft, diese wahrzunehmen). Änderungen können zwar bei veränderten persönlichen Lebensumständen (Umzug, Jobwechsel, Geburt eines Kindes; Schäfer, Jaeger-Erben, & Bamberg, 2012) individuell leichter angeregt werden, großflächige Verhaltensänderungen sind jedoch nur mit Änderungen in den gesamtgesellschaftlichen Rahmenbedingungen zu erreichen (Thøgersen & Crompton, 2009; Whitmarsh, 2009). Anknüpfungspunkte bestehen hier zum verhaltensökonomischen Konzept der Entscheidungsarchitektur (vgl. Verhaltensökonomische Ansätze).

Die Psychologie stellt Individuen und deren Verhaltensweisen ins Zentrum der Aufmerksamkeit und somit werden auch Individuen als Akteur_innen für und gegen notwendige Veränderungen gesehen (Gigerenzer & Gaissmaier, 2011). Der Blick wird dabei auch auf Akteur_innen mit Vorbildwirkung gerichtet, die über sozialen Einfluss andere Individuen zu klimafreundlicheren Lebensweisen motivieren. Der Fokus auf das Individuum und somit die individuelle Verantwortung kann wie bei verhaltensökonomischen Ansätzen als problematisch gesehen werden – nämlich dann, wenn dieser Fokus von den notwendigen Strukturbedingungen für klimafreundliches Verhalten ablenkt.

In puncto Gestaltungsoptionen beschäftigen sich psychologische Ansätze mit verschiedenen Möglichkeiten, Verhaltensweisen und Einstellungen in Richtung klimafreundliches Leben zu verändern, etwa durch gezielte Interventionen (z. B. durch Feedback zum Energieverbrauch oder dem Hervorheben klimafreundlicher Optionen in entsprechenden Entscheidungssituationen). Allerdings korrelieren Klimawandeleinstellungen zwar deutlich mit klimafreundlichen Intentionen, jedoch wenig bis gar nicht mit klimafreundlichen Verhaltensweisen (Hornsey et al., 2016). Zwischen selbstberichteten Einstellungen, Intentionen und tatsächlichem Verhalten klafft oftmals eine beträchtliche Lücke (Arnott et al., 2014; Sörqvist & Langeborg, 2019). Auch Klimawandelwissen hat nur wenig bis keine Auswirkungen auf klimafreundliches Leben; intrinsische Motivationen scheinen hingegen stärkeren Einfluss auf klimafreundliche Entscheidungen zu haben (Thaller et al., 2020). Soziodemografische Variablen, unter anderem Einkommen (Goldstein, Gounaridis, & Newell, 2020) und Lebensphase/Alter (Zagheni, 2011) haben einen beträchtlichen Einfluss auf individuelle Emissionen, die mit höherem Einkommen und höherem Alter ansteigen (allerdings ab 65 wieder abnehmen). Berücksichtigt werden muss hier auch die zunehmende Polarisierung zu Klimafragen entlang von Partei- und Weltanschauungs-Linien.

Psychologische Ansätze tragen zum besseren Verständnis individueller Entscheidungen bei. Sie zeigen aber auch, dass der Fokus auf individuelle Entscheidungen nicht ausreicht. Rahmenbedingungen und Verhalten dürfen in der Analyse nicht separiert werden, sondern sind als Einheit zu sehen. Festgefahrene Verhaltensweisen verändern sich in der Regel nur, wenn sich auch die Rahmenbedingungen ändern. Innerhalb klimafreundlicher Strukturen fällt es auch den Bürger_innen leichter, klimafreundliche Entscheidungen zu treffen.

Psychologische Modelle können selten mehr als 30 Prozent der Varianz im beobachteten/berichteten Verhalten erklären. Die Methodik, psychologische Variablen und Verhalten mittels Fragebögen zu erheben, weist zweifellos Einschränkungen auf. Entscheidungen werden in vielen Fällen intuitiv getroffen und im Nachhinein rationalisiert. Fragebögen können in erster Linie rationalisierte Einstellungen und Verhaltensentscheidungen erheben. Laborexperimente sind hingegen aus dem eigentlichen Entscheidungskontext herausgelöst; in Feldexperimenten ist es schwierig, Störvariablen adäquat zu kontrollieren.

25.5 Politische Institutionentheorie und Public Choice

Lead Autor

Markus Ohndorf

Kernaussagen

  • Da ein höherer CO2-Preis nur beschränkt politisch durchsetzbar ist, sollte auf eine Kombination von verschiedenen finanziellen Anreizen gesetzt werden. Die politisch akzeptable CO2-Steuer sollte also durch Subventionen für Forschung, Entwicklung und Markteinführung von emissionsarmen Technologien ergänzt werden.

Anreize und formale Regeln, die zu klimafreundlicherem Verhalten beitragen, werden im Rahmen des politischen Prozesses festgelegt. Hier lässt sich zwischen der internationalen, der nationalen und der regionalen Ebene unterscheiden. Für die internationale Ebene werden im Rahmen der politikwissenschaftlichen und politökonomischen Forschung die Stärken und Schwächen unterschiedlicher Vertragsrahmen analysiert (Battaglini & Harstad, 2016; Nordhaus, 2015). Beispiele hierfür sind Vergleiche der internationalen Verträge zum Klimaschutz (Barrett, 2016) oder die Analyse von CO2-Abgaben an den Landesgrenzen (Al Khourdajie & Finus, 2020) und den daraus folgenden Auswirkungen auf die Kooperation zwischen Ländern.

Auf der nationalen und subnationalen Ebene wird analysiert, inwiefern sich verschiedene institutionelle Designs auf die Stringenz und Tragweite klimapolitischer Maßnahmen auswirken (Domorenok & Zito, 2021; Krysiak, 2008; Peñasco, Anadón, & Verdolini, 2021). In diesem Kontext werden auch Ländervergleiche durchgeführt, um zum Beispiel die Bedingungen für eine Diffusion von Maßnahmen von einer Ländergruppe zu einer anderen aufzuzeigen (Arbolino et al., 2018; Biedenkopf, 2015). Zudem werden hier sowohl unterschiedliche Voraussetzungen im Rahmen des demokratischen Prozesses und der politischen Einflussnahme, aber auch die Rolle von nichtstaatlichen Akteuren und der öffentlichen und veröffentlichten Meinung beleuchtet (Dijkstra, 2004; Habla & Winkler, 2013; MacKenzie & Ohndorf, 2012).

Eine der wichtigsten Funktionen von Institutionen im politischen System ist die friedliche Lösung von Konflikten. Dies gilt auch und insbesondere im klimapolitischen Kontext für alle Ebenen der politischen Entscheidungsfindung sowohl zwischen Staaten als auch zwischen den Akteur_innen auf nationaler und subnationaler Ebene. Die größte Herausforderung ist hier das Überwinden von Konflikten zwischen Partikularinteressen (z. B. Emittenten vs. Geschädigte) und das Garantieren von demokratisch legitimierter Repräsentanz dieser Interessen entsprechend der tatsächlichen Wähler_innenpräferenzen (Aidt & Dutta, 2004; MacKenzie & Ohndorf, 2013). In vielen Fällen sind die Möglichkeiten der Einflussnahme asymmetrisch verteilt. So unternehmen Vertreter_innen von emissionsintensiven Sektoren häufig verstärkt Einfluss auf Entscheidungen zur Regulierung. Dies geschieht in der Regel im Rahmen von Lobbying oder der Vereinnahmung von Kontrollinstanzen (Brulle, 2018; Meng & Rode, 2019; Peñasco et al., 2021).

Ein weiteres Phänomen, das im letzten Jahrzehnt weltweit, aber insbesondere in Österreich beobachtet werden konnte, ist die zunehmende Polarisierung von klimapolitischen Standpunkten sowohl bei der Wählerschaft als auch zwischen den wechselnden Regierungsparteien. Die Gründe für diese Polarisierung ist Gegenstand eines wichtigen Forschungszweiges zur Analyse von Klimapolitik (Buzogány & Ćetković, 2021; Kulin, Johansson Sevä, & Dunlap, 2021; Lockwood, 2018; Mitter et al., 2019). Zur Erklärung der zunehmenden Polarisierung von Wählerpräferenzen bezüglich Klimapolitik sind in den letzten Jahren verhaltenswissenschaftliche Ansätze in den Vordergrund gerückt. Insbesondere Wahrnehmungsverzerrungen durch aktive oder passive Informationsvermeidung scheinen hier eine wichtige Rolle zu spielen. Ein Rückzug in klimaskeptische Filterblasen und Echokammern, insbesondere im Kontext von sozialen Medien, führt zu einer Festigung vorgefasster Meinungen, die im Widerspruch zu den Erkenntnissen der Klimawissenschaft stehen.

Besonderes Augenmerk gilt der Diskussion der politischen Akzeptanz und Durchsetzbarkeit von unterschiedlichen Politikoptionen. Für Maßnahmen, die zwar nach anderen Kriterien (z. B. Effizienz und Effektivität) wünschenswert, aber in einem gegebenen politischen Kontext nicht durchsetzbar sind, muss analysiert werden, inwiefern sich die politische Landschaft ändern müsste, damit selbige einen Platz auf der politischen Agenda erhalten (Huber, 2020; Huber, Fesenfeld, & Bernauer, 2020; Tobin, 2017). Zum Beispiel war die Wahrscheinlichkeit der Einführung einer CO2-Steuer in Österreich in den 2010er Jahren (trotz des zu erwartenden Verfehlens der Reduktionsziele für 2020) äußerst gering, stieg in den letzten 10 Jahren und wurde schließlich 2022 eingeführt.

Die Treiber für die verstärkte Berücksichtigung klimapolitischer Maßnahmen auf der politischen Agenda sind vielfältig und nach wie vor Gegenstand der Forschung. Aus demokratietheoretischen Gründen ist es jedenfalls sinnvoll, den direkten Einfluss von Interessengruppen, insbesondere von intransparentem Lobbying durch Hauptemittenten (z. B. traditioneller Individualverkehr) zu verringern.

Die politische Durchsetzbarkeit von klimapolitischen Maßnahmen hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab, die weiterhin Gegenstand der Forschung sind. Die Erfahrungen aus den vergangenen Jahren haben gezeigt, dass eine aktive Partizipation der vom Klimawandel stärker betroffenen jüngeren Generation in der klimapolitischen Debatte einen großen Effekt auf die politische Agenda haben dürfte. Zudem dürfte eine bessere Organisation des Nexus zwischen Wissenschaft und der veröffentlichten Meinung sowie klimabezogene Bildung und Information im Allgemeinen zu einer Reduktion des Widerstands gegen klimapolitische Maßnahmen führen.